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Handschriftliche Notizen der Polizei

Februar 21, 2012

Ein Strafverfahren wegen Betruges: Nach dem Abschlußvermerk der Polizei hatte sich mein Mandant zu den Aussagen von Zeugen in Widerspruch gesetzt, so daß seine Angaben insgesamt nicht glaubhaft seien. Die Polizei bezog sich dabei auf das in der Akte befindliche Protokoll der Beschuldigtenvernehmung, dem die Ausage meines Mandanten zu entnehmen war.

Mein Mandant behauptete allerdings, das der Polizei nie so gesagt zu haben. Das Protokoll stimme nicht.

Derartige Konstellationen begegnen dem Strafverteidiger häufiger, wobei es erfahrungsgemäß schwierig ist, Gericht und Staatsanwaltschaft von dem festen Glauben daran, daß das Protokollierte auch genau in dieser Weise gesagt worden ist, abzubringen. Das merkt man schon an dem üblichen Vorhalt: „Ich halte Ihnen einmal vor, was Sie bei der Polizei gesagt haben.“ Genau genommen dürfte es lediglich heißen: „Ich halte Ihnen einmal vor, was Sie bei der Polizei gesagt haben sollen.“

In der Hauptverhandlung wurde nun der Polizeibeamte, der die Vernehmung durchgeführt hatte, als Zeuge gehört. Von meinem Platz aus konnte ich erkennen, daß der Zeuge Unterlagen vor sich legte und diese – bis ich ihn insoweit ausbremste – bei seiner Aussage überflog. Es handelte sich um handschriftliche Notizen, die nicht Bestandteil der Ermittlungsakte waren. Auf meine „Anregung“ hin legte er diese Unterlagen dann dem Gericht vor. Es handelte sich dabei um die handschriftlichen Notizen des Zeugen zu der Vernehmung meines Mandanten.

Und man glaubt es kaum: Dort stand exakt das, was mein Mandant immer beteuert hatte. Ersichtlich stimmte also das Vernehmungsprotokoll in diesem Punkt nicht mit den handschriftlichen Aufzeichnungen, nach denen das Protokoll gefertigt worden war, überein. Der vermeintliche Widerspruch löste sich damit in Wohlgefallen auf und die Verurteilung wegen Betruges war vom Tisch.

Sicherlich ist das ein Ausnahmefall … schließlich wird man nur selten Zugriff auf solche handschriftlichen Aufzeichnungen erhalten.

RA Müller

5 Kommentare

  1. Das ist interessant.
    Wird dem Befragten nicht das Protokoll zur Bestätigung und Unterschrift vorgelegt?
    Ich erinnere mich (ich war allerdings kein Beschuldigter, sondern Zeuge), dass mir nach meiner Befragung die Niederschrift vorgelegt wurde und ich diese nach dem Durchlesen bestätigen sollte.
    Der Kommentar dazu lautete sogar: „Damit ich sicher sein kann, Sie richtig verstanden zu haben.“
    Sollte nicht so auch mit Beschuldigten verfahren werden?


    • Hier hatte der Beschuldigte m.E. erst ausgesagt, dann hatte der Polizeibeamte diktiert und es dem Beschuldigten später zur Unterzeichnung vorgelegt.

      Man wird allerdings regelmäßig davon ausgehen dürfen, daß vor dem Unterschreiben kein Durchlesen mehr erfolgt. Ohnehin werden sich dem Beschuldigten manche möglichen Mißverständnisse gar nicht aufdrängen, da er davon ausgeht, daß das (z.T. in den Worten des Polizeibeamten) Diktierte so zu verstehen ist wie er es ausgesagt hat.

      Von Bedeutung dürfte die Feststellung sein, daß auch ein unterzeichnetes Protokoll keine Gewähr dafür bietet, daß die protokollierten Aussagen tatsächlich so gefallen sind. Nur selten wird man das allerdings wie hier nachweisen können.


  2. Es ist schon etwas her, da durfte ich Herrn Oberstaatsanwalt Artkämper in einemVortrag zuhören. Das Thema war „Innovative Vernehmungsmethoden“.

    Sinngemäß (an den genauen Wortlaut kann ich nicht mehr erinnern) eröffnete er den Vortrag so: „Irgendwie wußte ich nach der Einladung als Referent nicht so ganz, was ich zum Thema „innovative Vernehmungsmethoden“ vortragen soll. Haben viele Dienststellen doch nicht einmal ein Diktiergerät zur Audioaufnahme.“ Insgesamt beklagte er, dass o. a. Konstellation durchaus zu häufig auftritt und die Verfahren auch aufgrund von Unwissenheit der Vernehmungsbeamten (wörtliche Verskriptung) verloren gehen.

    Viele Grüße

    Andreas


  3. Ich verliere auch den Glauben an die Justiz:

    Knüppel aus dem Sack – Polizei hat kein Geld mehr für Munition!


  4. Ähnliches durfte ich auch erleben. Dort waren handschriftliche Notizen, die meinen Mandanten entlastet hätten, mal einfach so weggekommen. Zum Glück hatte wenigstens eine Beamtin den A… in der Hose, dass wiederzugeben, woran sie sich erinnerte, nicht was im Protokoll stand. http://www.mitfugundrecht.de/2010/07/mitgefangen-mitgehangen/



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