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Der Richtervorbehalt bei der Blutprobenentnahme – Viel Lärm um nichts?

Oktober 21, 2010

Der Richtervorbehalt bei der Blutprobenentnahme – nun soll er also kippen und löst hierdurch erneut heftiges Geraschel im juristischen Blätterwald beziehungsweise in den juristischen Blogs aus (sieh etwa hier, hier, hier und hier).

Liest man sich die Kommentare durch, so ist der Grundtenor wohl jener, daß die Begründung für den Wegfall des Richtervorbehalts (Stärkung des Rechtsstaates) für nicht stichhaltig gehalten wird, wobei der Wegfall des Richtervorbehaltes überwiegend als Demontage des Rechtsstaates begriffen wird.

 

Mir ist nun noch kein Fall auf dem Schreibtisch gelandet, in dem die Polizei einen Richter bei dem Verdacht auf eine Trunkenheitsfahrt anrufen ließ, woraufhin der Richter die Blutprobenentnahme ablehnte. Der Richter muß sich hierbei schließlich auf die Angaben bzw. Wahrnehmungen der vor Ort befindlichen Polizeibeamten verlassen und wird deren Einschätzung in aller Regel zustimmen.

Wenn aber der Richtervorbehalt wegen mangelnder Möglichkeit, den Sachverhalt hinreichend zu prüfen, seinen eigentlichen Sinn nicht erfüllen kann, ist er in solchen Sachverhalten (im Gegensatz zu den Fällen, in denen hinreichend Zeit besteht, einen schriftlichen Antrag zu stellen und dem Richter einen Aktenvorgang zu übersenden) überflüssig.

Der Richtervorbehalt bei der Blutprobenentnahme hat in der jüngeren Vergangenheit lediglich in den Fällen Bedeutung erlangt, in denen er nicht beachtet worden ist, da man sich etwa gar nicht die Mühe gemacht hatte zu versuchen, einen Richter zu erreichen. Hätte man einen Richter verständigt, so hätte dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Blutprobenentnahme angeordnet.

Die Verteidigung verliert daher mit dem Wegfall des Richtervorbehalts eine Möglichkeit, die Ergebnisse der Blutprobenentnahme zu Fall zu bringen. Eine Demontage des Rechtsstaates vermag ich darin allerdings nicht zu erkennen.

RA Müller

5 Kommentare

  1. Geanu – und warum schaffen wir nicht einfach auch gleich das Zwischenverfahren im Strafprozess ab – auch da kann sich das Gericht ja nur auf die Aussage der StA verlassen. hmmm….

    Vielleicht deshalb, weil jemand über die Sache entscheiden sollte, der – zumindest formal – neutral die Fakten bewertet und nicht einem Verfolgerwahn, wie ihn manche Polizisten entwickeln, aufliegt oder, noch schlimmer, für den einstellen mehr Arbeit macht als anklagen…


    • Haben Sie schon einmal ein Zwischenverfahren erlebt? Da liegt dem Gericht die vollständige Ermittlungsakte nebst Zeugenaussagen etc. vor, so daß sich der Richter durchaus ein eigenes Bild machen kann.

      Ich habe es auch schon wiederholt erlebt, daß Richter eine Anklageschrift nicht oder nur mit Änderungen zugelassen oder aber den Erlaß eines Strafbefehls abgelehnt haben.

      Bei der Blutprobenentnahme hat der Richter gar nichts an der Hand und ich habe es noch NIE erlebt, daß ein entsprechender telefonischer Antrag abgelehnt worden ist. Daher meine ich nicht, daß der Wegfall des Richtervorbehalts bei der Blutprobenentnahme den Untergang des Abendlandes oder den Übergang in einen Polizeistaat bedeutet.


  2. Es mag schon so sein, dass der Richter die Blutentnahme immer abnickt. Dennoch ist eine Blutentnahme ein Eingriff in meine körperliche Unversehrtheit. Ich möchte, dass der Polizei klar ist, dass sie selbst solche Eingriffe nicht anordnen kann, sondern dafür jemanden braucht, der zumindest Formal neutral ist. Den Richtervorbehalt sehe ich sozusagen als eine psychologische Sperre gegen Allmachtsfantasien einiger Polizisten an. Denn momentan ist es ja auch so, dass das Beweisverbot nicht immer greift, wenn kein Richter erreichbar war (z.B. Nachts). Einen Anruf beim Richter halte ich daher für angebracht.

    Ansonsten könnte man ja auch darüber nachdenken, ob eine Hausdurchsuchung nicht auch regelmäßig vom Staatsanwalt oder besser gleich von der Polizei angeordnet und durchgeführt werden kann. Auch da wird ja so manche Durchsuchung einfach vom Richter durchgewunken. Deshalb: Wehret den Anfängen!


    • Ok, die „psychologische Sperre“ halte ich für ein überzeugendes Argument.

      Bei Hausdurchsuchungen sehe ich sonst noch den Vorteil des Richtervorbehalts, daß dem Richter dort in der Regel zumindest die Akte vorliegt. Insgesamt dürfte der richtertliche Spielraum größer sein als bei der Blutprobenentnahme.


  3. […] vgl. hier, hier und hier. 2. Über den Dauerbrenner § 81a Abs. 2 StPO, vgl. hier, hier und hier, zum Teil scheint man einen Fortsetzungsroman daraus zu machen , aber auch hier und hier. 3. Mal […]



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