Archive for the ‘Verkehrsrecht’ Category

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Der Zeuge, das unbekannte Wesen

September 20, 2019

Es ging um eine Unfallangelegenheit. Zwei Fahrzeuge waren miteinander kollidiert und jeder Fahrer wies dem jeweils anderen die alleinige Schuld an dem Unfall zu. Der Gegner konnte eine Schulfreundin, die sich als Beifahrerin in seinem Fahrzeug befunden hatte, als Zeugin aufbieten. Meinem Mandanten stand leider kein Zeuge zur Verfügung. Er berief sich zum Nachweis des Unfallherganges daher auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Der Zeuge wird als das häufigste aber auch unzuverlässigste Beweismittel bezeichnet. Wenn man nach so manchem Verkehrsunfall die Zeugen anhört, kann angesichts der ganz unterschiedlichen Aussagen das Gefühl aufkommen, daß die Zeugen ganz verschiedene Unfälle wahrgenommen haben müssen. Im vorliegenden Fall war es nun so, daß der Richter mit Zustimmung der beteiligten Anwälte gleich das Sachverständigengutachten zur Unfallrekonstruktion in Auftrag gab. Dieses versprach den größeren Erkenntnisgewinn als eine Zeugenaussage, nach der dann voraussichtlich ohnehin noch ein Gutachten einzuholen sein würde.

Leider sollte sich herausstellen, daß die Version meines Mandanten nach Auffassung des Sachverständigen zwar lebensnah war, aus technischer Sicht allerdings auch die Unfalldarstellung des Gegners darstellbar war.

Auf dieser Grundlage war absehbar, daß das Urteil 50:50 ausgehen würde, mein Mandant also den hälftigen Schaden erstattet bekommen würde, Hierauf hätte sich mein Mandant in dieser Prozeßlage auch verständigt, drohte doch noch die Zeugenaussage der gegnerischen Zeugin. Wenig überraschend wollte sich der Gegner nicht vergleichen und bestand darauf, daß seine damalige Beifahrerin noch als Zeugin zu vernehmen war. Sie werde seine Darstellung bestätigen.

Die Vernehmung der Zeugin hat nun stattgefunden. Wenig erfreut wird der Gegner gewesen sein, daß die von ihm benannte Zeugin seinen Angaben wiedersprach und den Unfallhergang im Wesentlichen so schilderte wie mein Mandant. Nach dieser Zeugenaussage ist mein Mandant nicht mehr bereit, sich auf 50% zu verständigen.

RA Müller

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In Sachen Abgasskandal

Juli 26, 2019

Seit geraumer Zeit bearbeite ich nun zahlreiche Verfahren aus dem Bereich des „Abgasskandals“. Reihenweise wird die Volkswagen AG durch das hiesige Landgericht zur Rücknahme der betroffenen Fahrzeuge gegen Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt. Der Käufer muß sich auf den Kaufpreis die „gezogenen Nutzungen“ nach der jeweiligen Kilometerleistung anrechnen lassen. Dabei ist die Berechnung dieser Nutzungen in aller Regel für den Käufer derart günstig, daß er sich mit der Rückgabe des Kfz deutlich besser steht, als wenn er das Fahrzeug selbst verkaufen müßte.

Ein kleiner Wermutstropfen lag bislang bei der Frage, von welcher „erwartbaren Gesamtlaufleistung“ des Fahrzeuges das Gericht ausgeht. Je höher die erwartbare Gesamtlaufleistung liegt, desto geringer ist schließlich der Anteil, den der Kläger „abgefahren“ hat. Nach meiner Wahrnehmung geht die überwiegende Anzahl der Richter im hiesigen Bereich von einer erwartbaren Gesamtlaufleistung von 300.000 km aus. Dies erscheint mir auch als nicht unrealistisch. Einige wenige Richter legen ihrer Berechnung indes lediglich 250.000 km zugrunde.

Nun liegt mir in einem Berufungsverfahren ein erfreulicher Hinweis des OLG Oldenburg (2 U 194/19) vor, mit dem das Gericht der Volkswagen AG rät, die von dort aus eingelegte Berufung zurückzunehmen:

„Im Übrigen wird angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Die Auffassung des Senats zur Anwendbarkeit des § 826 BGB ist bekannt. Das Landgericht ist weiter von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km ausgegangen, was der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht. Der zugesprochene Zinsausspruch begegnet keinen Bedenken.“

Das ist geradezu wohltuend angesichts der ständigen Beteuerungen der Gegenseite, daß Gerichte (angeblich) überwiegend von einer niedrigeren erwartbaren Gesamtlaufleistung ausgehen.

RA Müller

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Aus eins mach zwei

Juni 9, 2019

Einem meiner Mandanten wird vorgeworfen, bei unklarer Verkehrslage überholt zu haben. Dabei habe zudem er ein Fahrzeug geführt, dessen Betriebserlaubnis durch das Entfernen des Endschalldämpfers erloschen sei.

Die Vorwürfe wurde durch Polizeibeamte festgestellt, welche hinter meinem Mandanten fuhren, ihn anhielten und das von ihm geführte Fahrzeug in Augenschein nahmen. Der Vorgang wurde von der Polizei an die Bußgeldstelle abgegeben, die sodann unter Bezugnahme auf dieselbe Tatzeit und -örtlichkeit zwei gesonderte Bußgeldbescheide gegen meinen Mandanten erließ: Einmal wurde der Überholvorgang sanktioniert, einmal die fehlende Betriebserlaubnis.

Abgesehen davon, daß beide Bescheide mit den üblichen Gebühren verbunden waren, enthielt ein Bescheid lediglich ein übersichtliches Bußgeld, der andere wäre dagegen mit einer Eintragung im Fahreignungsregister verbunden, würde meinem Mandanten also einen „Punkt in Flensburg“ einbringen.

Mein Mandant benannte mir mehrere Zeugen. Diese würden bestätigen können, daß der schwerwiegendere Vorwurf gar nicht zutraf. Tatsächlich wird mein Mandant indes zur Verteidigung auf keine Zeugenaussage angewiesen sein. Dies folgt aus § 84 Abs.1 OWiG:

„Ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden oder hat das Gericht über die Tat als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat rechtskräftig entschieden, so kann dieselbe Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.“

Entscheidend ist der Begriff „dieselbe Tat„. Dieser Begriff ist nicht gleichbedeutend mit demselben Gesetzesverstoß. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich mehrere mögliche Gesetzesverstöße im Rahmen eines einheitlichen Lebensvorgangs verwirklicht haben:

„Die Tat umfaßt dabei das gesamte Verhalten des Betroffenen, soweit es mit dem im Bußgeldbescheid bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Auch mehrere, sachlich-rechtlich selbständige Handlungen sind dabei, soweit sie nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bilden, verfahrensrechtlich eine einzige Tat, die nur in einem Verfahren verfolgt werden darf.“ (BGH Urt. vom 10.12.1985 – KRB 3/85)

Zur Illustration mag die Entscheidung des OLG Naumburg vom 26.01.2016 (2 Rv 10/16) herhalten. Dem dortigen Angeklagten wurde vorgeworfen, zunächst eine Trunkenheit im Straßenverkehr begangen zu haben, anschließend im Rahmen der polizeilichen Kontrolle die Angabe seiner Personalien verweigert und schließlich Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet zu haben. Wegen der Ordnungswidrigkeit (Verweigerung der Angabe der Personalien) erging ein Bußgeldbescheid, gegen den auf den Einspruch des Betroffenen hin gerichtlich verhandelt wurde. Der Betroffene wurde dabei wegen der Nichtangabe seiner Personalien verurteilt. Diese Verurteilung führte dazu, daß der Betroffene wegen der Trunkenheit im Verkehr und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte nicht mehr verurteilt werden konnte. Es handelte sich nach Bewertung des Gerichts um einen einheitlichen Lebensvorgang.

Warum der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid überhaupt Einspruch eingelegt hat? Während es nach § 84 Abs.1 OWiG bereits ausreicht, daß bereits ein Bußgeldbescheid erlassen worden ist, um der Verfolgung weiterer Ordnungswidrigkeiten, die im Zuge derselben Tat verwirklicht worden sind, entgegenzustehen, tritt diese Rechtsfolge im Hinblick auf Straftaten nur ein, wenn wegen der Ordnungswidrigkeit eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist, § 84 Abs.2 OWiG. Will der Betroffene in einem solchen Fall also seiner Verurteilung wegen einer Straftat entgehen, mag es sich lohnen, auch in einem hoffnungslosen Fall gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen.

In dem Fall meines Mandanten stand keine Straftat im Raum, so daß es für ihn bereits ausreichte, wenn wegen derselben Tat bereits ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid vorlag. Er konnte also froh sein, daß die Bußgeldstelle ihm nicht einen sondern gleich zwei Bußgeldbescheide geschickt hatte. So konnte er nach seiner Wahl einen der Bescheide rechtskräftig werden lassen und gegen den zweiten einwenden, daß er wegen des Tatgeschehens bereits verurteilt worden war.

RA Müller

(siehe zu einem ganz ähnlichen Fall den Beitrag hier)

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Die verschwundene(n) Akte(n) der Staatsanwaltschaft

April 14, 2019

In einer Unfallangelegenheit mit einem nicht ganz unerheblichen Sach- und Personenschaden benötige ich Akteneinsicht in die Ermittlungsakte, um für meinen Mandanten dessen Ansprüche durchsetzen zu können. Der Unfall hat sich bereits im Oktober (!) 2018 zugetragen.

Im Dezember ist die Akte laut Polizei an die Staatsanwaltschaft (StA) übersandt worden. Letztere teilte telefonisch im Januar mit, daß die Akte dort noch nicht registriert sei, es aber durchaus einige Wochen dauern könne bis die Akte erfaßt worden sei.

Wiederholte Anfragen in den nächsten Wochen führten leider zu keinem anderen Ergebnis. Die Akte war bei der StA auch weiterhin nicht bekannt. Ich möge mich erneut an die Polizei wenden.

Die Polizei verwies wiederum darauf, die Akte ganz sicher der StA weitergeleitet zu haben. Ich möge bei der StA einen Nachforschungsantrag stellen.

Auch dem kam ich noch nach. Wiederum einige Wochen später erkundigte ich mich nach dem Stand der Nachforschungen, da ich von der StA auf den ANtrag hin keine Rückmeldung erhalten hatte. Wieder stellte die StA fest, daß die Akte dort im System nicht verzeichnet war. Der Nachforschungsantrag? Ja, der liege dann in einer gesonderten Ablage für Posteingänge, die keiner konkreten Akte zugeordnet werden könnten. Man schaue dann in regelmäßigen Abständen nach, ob nunmehr eine Zuordnung möglich sei. Meine erstaunte Nachfrage, ob man denn nicht gedenke, die Polizei zu veranlassen, die Akte soweit möglich zu rekonstruieren, erntete ein sinngemäßes „Nein, das machen wir nicht„. Ich könne mich aber gerne an die Polizei wenden und dort noch einmal nachfragen.

Der zuständige und tatsächlich auch sehr hilfsbereite Polizeibeamte teilte mir mit, daß er selbst bereits auf die Anrufe meiner Kanzlei hin, daß die Akte bei der StA nicht aufgefunden werden könne, eine Rekonstruktion der Akte veranlaßt habe. Die rekonstruierte Akte habe er der Staatsanwaltschaft übersandt. Sie fasse immerhin 60-70 Seiten. Ich solle mich aber nicht zu früh freuen. Diese Akte sei vor mittlerweile vier Wochen an die StA gegangen. Er wisse auch nicht, was er noch tun solle. Er könne sich nur vorstellen, daß die Akten in das Zimmer eines Mitarbeiters der StA gelegt worden seien, der möglicherweise krank/auf Kur o.Ä. sei.

Da die Polizei selbst keine (in Unfallsachen: über den Unfallbericht hinausgehende) Akteneinsicht erteilen darf, verblieb ich mit dem Polizeibeamten so, daß dieser auf ein Fax-Schreiben der StA wartet, wonach er mir die Akte per E.-Mail übersenden darf. Ein erneuter Anruf bei der StA führte schließlich dazu, daß man mich mit einem hilfsbereiten Oberstaatsanwalt verband, der sich nach erstem Bemühen, die verschwundene Akte doch noch selbst aufzuspüren, bereit erklärte, der Polizei das benötigte Fax-Schreiben zu schicken.

Ich zeige mich gespannt, ob die Akte nun tatsächlich noch eintreffen wird.

RA Müller

 

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Verblüffend? Verblufft!

Februar 16, 2019

Der Gegner nahm die Mandantin auf Zahlung eines Betrages von unter 1.000,- € in Anspruch. Die Mandantin war dagegen davon überzeugt, daß der Anspruch gar nicht bestand. Feststellen lassen würde sich dies allein durch die Einholung von zwei Sachverständigengutachten, welche mit einem Kostenaufwand von sicherlich insgesamt 3.000 bis 4.000,- € verbunden gewesen wären. Außergerichtlich war der Kläger bereit, der Mandantin etwas entgegenzukommen. Die Mandantin beharrte indes auf ihrer Position, so daß der Gegner Klage einreichte.

Das Gericht ist gehalten, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, und legte den Parteien angesichts des Mißverhältnisses der erforderlichen Sachverständigenkosten zu der erhobenen Forderung wenig überraschend nahe, sich doch in der Mitte zu treffen. Der Kläger war einverstanden. Die Mandantin nicht.

Also erging ein Beweisbeschluß, wonach nun Sachverständige beauftragt werden sollten. Hierzu sollte der Kläger einen Vorschuß von 2.500,- € einzahlen. Dem kam der Kläger nach, so daß die Akte an den Sachverständigen übersandt wurde.

Währenddessen stellte der Kläger eine erneute Vergleichsanfrage an meine Mandantin, die wiederum kategorisch jeden Vergleich ausschloß.

Daraufhin … nahm der Kläger seine Klage zurück.

Verblüffend? Wohl eher „verblufft“.

RA Müller

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Kurz und bündig: Freispruch nach angeblichem „Handyverstoß“

Februar 19, 2018

Dem Mandanten wurde vorgeworfen, am Steuer eines Kfz ein Mobiltelefon benutzt zu haben und hierdurch den Bußgeldtatbestand des § 23 Abs.1a StVO verwirklicht zu haben. In der schriftlichen Einlassung gegenüber der Bußgeldstelle wies ich für meinen Mandanten darauf hin, daß mein Mandant zwar kurzzeitig ein Mobiltelefon in der Hand gehalten hatte, der Tatbestand hierdurch indes nicht verwirklich worden war. Das Gesetz stellt nämlich auf ein „Benutzen“ des Gerätes ab, welches vorliegend nach Mitteilung meines Mandanten nicht vorgelegen hatte. Zwar wird der Begriff des Benutzens sehr weit ausgelegt, so daß bereits das Ablesen der Uhrzeit oder das Abweisen eines Anrufs hierunter gefaßt wird. Ein bloßes Aufnehmen des Gerätes, um es andernorts im Fahrzeug abzulegen, fällt indes nicht hierunter.

Die Bußgeldstelle forderte daraufhin die beiden Polizeibeamten, welche den (vermeintlichen) Verstoß notiert hatten, zu einer ergänzenden Stellungnahme zu diesem Vortrag auf. Beide konnten die Darstellung des Mandanten nicht widerlegen. Sie hätten gesehen, daß mein Mandant das Mobiltelefon in der Hand gehabt habe. Zur Dauer dieses Vorgangs konnten sie keine näheren Angaben tätigen. Auch konnten sie nicht sagen, ob er das Gerät – und sei es auch nur zum Ablesen der Uhrzeit – benutzt hatte.

Wer jetzt erwartet, daß das Verfahren damit sang- und klanglos eingestellt wird, der wird enttäuscht:

Die Bußgeldstelle übersandte mir die Stellungnahme der Polizeibeamten und behauptete, daß mein Mandant durch die polizeilichen Wahrnehmungen überführt worden sei. Ich möge erwägen, den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückzunehmen.

Als ich dem als engstirniger Verteidiger so gar nicht folgen wollte, gab die Behörde den Vorgang an das zuständige Amtsgericht ab.

Von dort erhielt ich nun für meinen Mandanten auf direktem Wege den Freispruch, ohne daß ein Gerichtstermin stattgefunden hatte oder man mir bis dahin auch nur das gerichtliche Aktenzeichen mitgeteilt hatte. So kann ein Bußgeldrichter nach § 72 Abs.1 OWiG auch ohne Hauptverhandlung durch Beschluß entscheiden, wenn er eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält und die Staatanwaltschaft sowie der Betroffene zustimmen. Will der Richter den Betroffenen freisprechen, so bedarf es der Zustimmung des Betroffenen nicht.

So kam mein Mandant zeitnah und ohne Hauptverhandlung zu seinem Freispruch. Die Kosten des engstirnigen Verteidigers trägt die Staatskasse   🙂

RA Müller

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Schlüssig und zweifelsfrei

Juni 9, 2017

Die Polizei nimmt einen Verkehrsunfall auf und fertigt hierzu einen Aktenvermerk an, wonach der Unfallbeteiligte 01 sein Fahrzeug aus seiner Fahrspur heraus nach rechts gelenkt und hierbei das Kfz des neben ihm fahrenden Beteiligten 02 touchiert habe. Den Vorgang bewertet die Polizei wie folgt:

„Der Unfallhergang ist schlüssig und zweifelsfrei. Dieses wurde folgerichtig durch die mündlichen Einlassungen aller Beteiligten bei der Sachverhaltsaufnahme gestützt.“

Nun sollte eigentlich alles geklärt sein, wären da nicht die folgenden weiteren Angaben der Polizei in der Akte:

„Bei der Sachverhaltsaufnahme teilt der Beteiligte 01 mit, nicht ursächlich am VU zu sein.“

„01 räumt vor Ort ein, nicht ursächlich am Verkehrsunfall zu sein und möchte sich dementsprechend schriftlich äußern.“

Man fragt sich, welche Angaben des 01 den von der Polizei als „schlüssig und zweifelsfrei“ erachteten Unfallhergang gestützt haben. Festgehalten worden sind diese Angaben jedenfalls nicht.

RA Müller

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Straftatbestände im Dutzend billiger?

Mai 26, 2017

In einer Unfallsache erweckt das Verhalten des Unfallgegners meines Mandanten den Eindruck, er habe Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten sammeln wollen.

  • So fuhr er nach Zeugenaussagen mit einer Geschwindigkeit, die bei etwa dem Dreifachen der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit gelegen haben soll.
  • Er fuhr ein riskantes Überholmanöver, dessen Ausführung ihm letztlich mißlang.
  • Hierdurch entstand Sach- und Personenschaden.
  • Er war überdies alkoholisiert.
  • Weiterhin ließen sich drei verschiedene Betäubungsmittel in seinem Blut nachweisen.
  • Das von ihm geführte Kfz war nicht versichert.
  • Bei den an seinem Kfz angebrachten Kennzeichen handelte es sich um Fälschungen.
  • Schließlich verfügte er über keine Fahrerlaubnis, die ihn zum Führen des Kfz berechtigte.

Aus Sicht des Geschädigten ist die Sache ausgesprochen ärgerlich. Wäre der Schädiger „nur“ ohne Fahrerlaubnis, viel zu schnell, alkoholisiert und unter Drogeneinfluß gefahren, hätte sich der Geschädigte wegen des ihm entstandenen Schadens zumindest an einen Versicherer halten können. Da das Kfz aber nicht einmal versichert war, muß der Geschädigte nun auf die Zahlungsfähigkeit des Unfallgegners hoffen.

RA Müller

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Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen

Mai 16, 2017

Der Gegner wird anwaltlich vertreten und macht gegenüber meiner Mandantin einen Zahlungsanspruch geltend. Meine juristisch bewanderte Mandantin hatte dem gegnerischen Rechtsanwalt bereits außergerichtlich die Rechtslage dargelegt, aus der sich ergibt, daß seinem Mandanten kein solcher Anspruch zusteht.

Der Gegner sah dies wohl anders und reichte unverdrossen Klage ein.

In der Klageerwiderung wies ich auf die – seit mehr als 10 Jahren einhellige – BGH-Rechtsprechung hin, auf welche sich meine Mandantin berufen hatte. Vorsorglich zitierte ich die entscheidenden Stellen aus den Entscheidungen.

Nun hat mich die Erwiderung des Gegners erreicht. Darin behauptet er forsch, daß die von mir zitierten Entscheidungen eine ganz andere Sachlage betreffen. Im Falle seiner Mandantin lägen verschiedene besondere Umstände vor, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten.

Nun habe ich überhaupt nichts dagegen, wenn ein Rechtsanwalt sich argumentativ mit der sogenannten „herrschenden Meinung“ auseinandersetzt und versucht, das zur Entscheidung berufene Gericht von seiner Auffassung zu überzeugen. Bemerkenswert ist vorliegend indes, daß genau diese Umstände, die der gegnerische Kollege benannt hat, sich auch in den zitierten BGH-Entscheidungen wiederfinden. Er behauptet lediglich, daß dies nicht der Fall ist, setzt sich also gar nicht argumentativ mit der Rechtslage auseinander.

Entweder hat der Kollege sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Entscheidungen zu lesen, oder er hat sie gelesen und hofft nun inständig darauf, daß der Richter sich das Lesen sparen wird. .

RA Müller

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Polizeiliche Wahrnehmungen II

März 6, 2017

Wieder wurde einem meiner Mandanten vorgeworfen, als Führer eines Kfz ein Mobiltelefon verwendet zu haben. Die Bußgeldakte enthielt einen polizeilichen Vermerk, wonach sich mein Mandant ein schwarzes Mobiltelefon ans Ohr gehalten habe. Er habe dies abgestritten und angegeben, sich mit der in der Hand gehaltenen Zigarettenschachtel am Kopf gekratzt zu haben. Man habe ihn angehalten und festgestellt, daß er nach dem Anhalten zwar eine Zigarettenschachtel in der Hand hielt, in der Mittelkonsole des Fahrzeuges indes ein schwarzes Mobiltelefon lag. Die Abmessungen der Zigarettenschachtel hätten nicht jenen des Mobiltelefons entsprochen.

Nun mag man anmerken, daß es nicht darauf ankommen kann, wie groß Zigarettenschachtel und Mobiltelefon sind, sondern wie groß der Gegenstand ist, den der Polizeibeamte am Ohr des Betroffenen wahrgenommen hatte. Diese Aussage war indes weit schwieriger zu treffen. So stellte sich in der Verhandlung heraus, daß der Blickwinkel der Polizeibeamten auf den Vorfall … nun, sagen wir einmal „suboptimal“ war.

Das polizeiliche Fahrzeug, aus dem heraus die Wahrnehmungen erfolgten, hatte auf der anderen Seite einer vierspurigen Straße gestanden. Man habe meinen vorbeifahrenden Mandanten wahrgenommen. Dieser habe einen Gegenstand an sein rechtes Ohr gehalten, wobei die Polizeibeamten Blick auf seine linke Seite hatten. Davon ausgehend, daß der Kopf meines Mandanten nicht durchsichtig war, dürfte es relativ schwer fallen, einen Gegenstand an der rechten Seite des Kopfes meines Mandanten zu erkennen. Der Verweis des Polizeibeamten darauf, daß man den Betroffenen überholt habe und im Vorbeifahren das Mobiltelefon gesehen habe, dürfte auch eher zweifelhaft sein, da das Fahrzeug links überholt worden ist. Ja, räumte der Beamte schließlich ein, man habe auch nur die untere Kante eines dunklen Gegenstandes gesehen. Später habe ein schwarzes Handy in der Mittelkonsole gelegen. Sprechbewegungen habe man im Vorbeifahren allerdings nicht wahrgenommen.

Nun hatte ich meinen Mandanten vorsorglich gebeten, ein Lichtbild des Inneren seines Fahrzeuges zur Verhandlung mitzubringen. Das Fahrzeug verfügt über gar keine Mittelkonsole. Der Zeuge mußte nun einräumen, daß es das Handy möglicherweise andernorts im Fahrzeug gelegen hatte. Dies wisse er nicht mehr so genau.

Mein Mandant hatte zudem die Zigarettenschachtel zur Verhandlung mitgebracht, die er im Kfz bei sich geführt hatte. Es handelte sich um eine Schachtel einer ausländischen Marke, die überwiegend dunkel gehalten war.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es war durchaus fraglich, wie konkret die seinerzeitigen Wahrnehmungen waren und wie konkret die Erinnerungen des Polizeibeamten in der Verhandlung vor dem Bußgeldrichter noch waren. Da der Kollege des Polizeibeamten indes aufgrund anderweitiger Verpflichtungen am Terminstag nicht erscheinen konnte, mithin eine Fortsetzung des Verfahrens angestanden hätte, erklärte sich mein Mandant bereit, ein Verwarnungsgeld zu akzeptieren. Damit sind keine Eintragungen im Fahreignungsregister verbunden, so daß also kein „Punkt in Flensburg“ eingetragen worden ist.

RA Müller