Posts Tagged ‘Fachanwalt für Strafrecht’

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Verfahren geplatzt

Juli 27, 2019

Manchmal soll es einfach nicht sein. Gegen den Mandanten läuft vor dem Landgericht ein Strafverfahren. Darin sind mehrere Zeugen aus der Türkei anzuhören. Der vorsitzende Richter sah zudem seinem bevorstehenden Ruhestand entgegen, so daß das zur Verfügung stehende Zeitfenster eine feste Begrenzung hatte.

Nach zwei Monaten und fünf Verhandlungstagen war festzustellen, daß die Zeugen, die bereit waren, zur Verhandlung anzureisen, die bürokratischen Hindernisse bei Einreise aus einem Nicht-EU-Land nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit überwinden konnten.

  • Es begann bereits damit, daß die Zeugen nicht über Reisepässe verfügten und diese zunächst beantragen mußten. Diese Hürde ließ sich noch erstaunlich schnell nehmen.
  • Sodann bedurfte es eines Termins bei der entsprechenden Botschaft zur Beantragung eines Visums. Ein zwischenzeitlicher Versuch des vorsitzenden Richters, die Angelegenheit durch Kontaktaufnahme mit dem Auswärtigen Amt zu beschleunigen, führte zu der Erkenntnis, daß die dortige Antwortgeschwindigkeit sich mit der aus dem Strafverfahren heraus gebotenen Eile nicht in einen harmonischen Einklang bringen ließ.
  • In der Botschaft wurde den einreisewilligen Zeugen schließlich mitgeteilt, daß sie vor der Erteilung des Visums zunächst eine inländische Verpflichtungserklärung beizubringen hatten. Der „Einladende“ aus Deutschland sollte sich also gegenüber der örtlichen Ausländerbehörde verpflichten, für die aufgrund des Aufenthalts der Einreisenden in Deutschland entstehenden Kosten einschließlich etwaiger Krankenbehandlungs- und Rückführungskosten aufzukommen.
  • Nun endlich reagierte das Auswärtige Amt auf die Anfrage des Gerichts. Aus der dortigen Mitteilung ergab sich, daß eine solche Verpflichtungserklärung vorliegend nicht benötigt wurde. Das liegt auch irgendwie auf der Hand, handelt es sich bei dem „Einladenden“ doch um das Gericht selbst. Diese Mitteilung sollten die Einreisewilligen in der Botschaft vorlegen, wobei ihnen das Dokument zuvor übersetzt werden sollte. Die Zeit drängte. Der nächste Verhandlungstermin stand kurz bevor.
  • Nun hakte es etwas bei dem gerichtlich bestellten Dolmetscher, der für die Übersetzung des übersichtlichen Schriftstückes eine Woche benötigte.
  • Direkt danach wurde die Übersetzung den Zeugen per WhatsApp übersandt und diese legten es sogleich bei der Botschaft vor … nur um dann nach Leistung der für das Visum anfallenden Gebühren die Nachricht zu erhalten, daß sich ihr Antrag nun in Bearbeitung befinde und sie Nachricht erhalten würden, sobald das Visum abgeholt werden könne. Diese Nachricht stand noch aus.

An dieser Stelle brach der vorsitzende Richter die Sache nach fünf Hauptverhandlungstagen ab. Trotz allseitigem Bemühen war an diesem Punkt zu erkennen, daß die bis zu seinem Ruhestand verbleibende Zeit nicht mehr ausreichen würde, um das Verfahren zu einem Ende zu bringen.

Also (irgendwann) auf in die nächste Runde.

RA Müller

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Die Anzeige des Anonymus

Juli 17, 2019

Die „besten“ Strafverfahren beginnen mit anonymen Strafanzeigen. Es ist nachvollziehbar, daß Polizei und Staatsanwaltschaft solchen Strafanzeigen mit großer Vorsicht begegnen. Wer sich nicht aus der Deckung wagt und seine eigene Rolle nicht offenbart, dessen Motivlage für die Anzeigeerstattung ist eben auch nicht überprüfbar.

Anfang 2012 ging bei der Polizei ein Schreiben ein, in dem ein Anonymus sich berühmte, Insiderwissen zu den angeblich strafrechtlich relevanten Geschäftspraktiken meines Mandanten zu haben. Die erhobenen Vorwürfe blieben zum Teil etwas nebulös, so daß der zuständige Ermittlungsrichter den ersten Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses dann auch ablehnte.

Ein zweiter Antrag der Staatsanwaltschaft mit angepaßter Begründung führte aber schließlich zum Erfolg und die Polizei durfte noch im Jahr 2012 zahlreiche Unterlagen meines Mandanten sicherstellen.

Die Strafanzeige des Anonymus wurde hierdurch allerdings nicht wirklich erhellt, so daß sich längere polizeiliche Ermittlungen anschlossen, in deren Verlauf fast 100 Zeugen befragt wurden.

Nach Ablauf eines Jahres ließ die Staatsanwaltschaft meinen Mandanten dann wissen, daß die Polizei die Ermittlungen zu über 80 Fallakten nun abgeschlossen habe. Das Verfahren sei „etwas umfangreicher“ und rechtlich auch nicht ganz unkompliziert.

In 2015 erfolgte dann schließlich die Anklageerhebung. Meinem Mandanten wurden immerhin 53 Straftaten vorgeworfen (gewerbsmäßiger Betrug, Urkundenfälschung im Amt).

Die Verhandlung über die angeklagten Taten konnte aufgrund eines Umzuges meines Mandanten in das nicht-europäische Ausland erst jetzt im Jahr 2019 stattfinden. Einige Zeugen wurden befragt. Von Dutzenden weiteren Zeugen konnten die früheren Aussagen in der Hauptverhandlung verlesen werden. Von den Anklagepunkten übrig geblieben ist in strafrechtlicher Hinsicht … nichts. Festzustellen war allein ein Verhalten meines Mandanten, welches arbeitsrechtlich zu beanstanden war, indes keine strafrechtliche Relevanz hatte. Der Mandant wurde in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Ob den Anonymus nach all den Jahren überhaupt noch interessiert wie lange er die Justiz mit seiner Strafanzeige aus dem Jahr 2012 beschäftigt gehalten hat?

RA Müller

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Aus eins mach zwei

Juni 9, 2019

Einem meiner Mandanten wird vorgeworfen, bei unklarer Verkehrslage überholt zu haben. Dabei habe zudem er ein Fahrzeug geführt, dessen Betriebserlaubnis durch das Entfernen des Endschalldämpfers erloschen sei.

Die Vorwürfe wurde durch Polizeibeamte festgestellt, welche hinter meinem Mandanten fuhren, ihn anhielten und das von ihm geführte Fahrzeug in Augenschein nahmen. Der Vorgang wurde von der Polizei an die Bußgeldstelle abgegeben, die sodann unter Bezugnahme auf dieselbe Tatzeit und -örtlichkeit zwei gesonderte Bußgeldbescheide gegen meinen Mandanten erließ: Einmal wurde der Überholvorgang sanktioniert, einmal die fehlende Betriebserlaubnis.

Abgesehen davon, daß beide Bescheide mit den üblichen Gebühren verbunden waren, enthielt ein Bescheid lediglich ein übersichtliches Bußgeld, der andere wäre dagegen mit einer Eintragung im Fahreignungsregister verbunden, würde meinem Mandanten also einen „Punkt in Flensburg“ einbringen.

Mein Mandant benannte mir mehrere Zeugen. Diese würden bestätigen können, daß der schwerwiegendere Vorwurf gar nicht zutraf. Tatsächlich wird mein Mandant indes zur Verteidigung auf keine Zeugenaussage angewiesen sein. Dies folgt aus § 84 Abs.1 OWiG:

„Ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden oder hat das Gericht über die Tat als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat rechtskräftig entschieden, so kann dieselbe Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.“

Entscheidend ist der Begriff „dieselbe Tat„. Dieser Begriff ist nicht gleichbedeutend mit demselben Gesetzesverstoß. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich mehrere mögliche Gesetzesverstöße im Rahmen eines einheitlichen Lebensvorgangs verwirklicht haben:

„Die Tat umfaßt dabei das gesamte Verhalten des Betroffenen, soweit es mit dem im Bußgeldbescheid bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Auch mehrere, sachlich-rechtlich selbständige Handlungen sind dabei, soweit sie nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bilden, verfahrensrechtlich eine einzige Tat, die nur in einem Verfahren verfolgt werden darf.“ (BGH Urt. vom 10.12.1985 – KRB 3/85)

Zur Illustration mag die Entscheidung des OLG Naumburg vom 26.01.2016 (2 Rv 10/16) herhalten. Dem dortigen Angeklagten wurde vorgeworfen, zunächst eine Trunkenheit im Straßenverkehr begangen zu haben, anschließend im Rahmen der polizeilichen Kontrolle die Angabe seiner Personalien verweigert und schließlich Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet zu haben. Wegen der Ordnungswidrigkeit (Verweigerung der Angabe der Personalien) erging ein Bußgeldbescheid, gegen den auf den Einspruch des Betroffenen hin gerichtlich verhandelt wurde. Der Betroffene wurde dabei wegen der Nichtangabe seiner Personalien verurteilt. Diese Verurteilung führte dazu, daß der Betroffene wegen der Trunkenheit im Verkehr und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte nicht mehr verurteilt werden konnte. Es handelte sich nach Bewertung des Gerichts um einen einheitlichen Lebensvorgang.

Warum der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid überhaupt Einspruch eingelegt hat? Während es nach § 84 Abs.1 OWiG bereits ausreicht, daß bereits ein Bußgeldbescheid erlassen worden ist, um der Verfolgung weiterer Ordnungswidrigkeiten, die im Zuge derselben Tat verwirklicht worden sind, entgegenzustehen, tritt diese Rechtsfolge im Hinblick auf Straftaten nur ein, wenn wegen der Ordnungswidrigkeit eine gerichtliche Entscheidung ergangen ist, § 84 Abs.2 OWiG. Will der Betroffene in einem solchen Fall also seiner Verurteilung wegen einer Straftat entgehen, mag es sich lohnen, auch in einem hoffnungslosen Fall gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen.

In dem Fall meines Mandanten stand keine Straftat im Raum, so daß es für ihn bereits ausreichte, wenn wegen derselben Tat bereits ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid vorlag. Er konnte also froh sein, daß die Bußgeldstelle ihm nicht einen sondern gleich zwei Bußgeldbescheide geschickt hatte. So konnte er nach seiner Wahl einen der Bescheide rechtskräftig werden lassen und gegen den zweiten einwenden, daß er wegen des Tatgeschehens bereits verurteilt worden war.

RA Müller

(siehe zu einem ganz ähnlichen Fall den Beitrag hier)

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Die Sache mit dem Dolmetscher

November 15, 2018

Über Dolmetscher habe ich in diesem Blog schon verschiedene Beiträge verfaßt. Spricht der Betroffene die deutsche Sprache allenfalls unzureichend, so geht es nicht ohne Dolmetscher, auch wenn dies mitunter versucht wird. Voraussetzung ist allerdings, daß der Dolmetscher sein Handwerk versteht.

In einem Strafverfahren, in dem es um nichts Geringeres als den Vorwurf des Mordes geht, hatte die Polizei zur Vernehmung eines Beschuldigten, der nur über eingeschränkte Deutschkenntnisse verfügen soll, einen Dolmetscher besorgt. Der Vernehmungsbeamte belehrte den Beschuldigten durchaus ausführlich und vorschriftsgemäß. So wies er unter anderem darauf hin, daß der Beschuldigte jederzeit einen Anwalt hinzuziehen könne.

Der Dolmetscher übersetzte dem Beschuldigten allerdings nur einen Teil der Belehrung. Der die Hinzuziehung eines Anwalts betreffende Teil wurde dem Beschuldigten nicht übersetzt.

In der Vernehmung ging es dann zunächst um eher formale Aspekte. Bevor der Beschuldigte dann zur Sache selbst vernommen werden sollte, wies der Vernehmungsbeamte vorsorglich noch einmal auf das Recht hin, einen Anwalt hinzuzuziehen. Außerdem könne der Beschuldigte auch Beweiserhebungen beantragen. Die Polizei ermittele nicht nur zu seinen Ungunsten sondern werde auch entlastenden Umständen nachgehen.

In der Übersetzung ließ der Dolmetscher den Teil, der die Hinzuziehung eines Anwalts betraf, wieder aus.

Nun äußerte sich der Beschuldigte allerdings von sich aus und teilte dem Dolmetscher mit, daß er nur in Gegenwart eines Anwalts aussagen wolle. Diese Äußerung des Beschuldigten übersetzte der Dolmetscher gar nicht, so daß der polizeiliche Vernehmungsbeamte hiervon nichts erfuhr und die Vernehmung fortsetzte.

Im Ergebnis ist die Aussage des Beschuldigten und nunmehrigen Angeklagten aufgrund der fehlerhaft übersetzten Belehrung nicht verwertbar.

Nebenbei bemerkt: Eigene Ausführungen des Dolmetschers, die zum Teil aus nur fragmentarischen „Sätzen“ bestanden, deren Sinn ich auch nach mehrmaligem Lesen nicht ohne weiteres nachzuvollziehen konnte, ließen bei mir die Frage aufkommen, ob der Dolmetscher über hinreichende Deutschkenntnisse verfügte.

Die Tatsache, daß eine völlig unzureichende Übersetzung erfolgt war, ließ sich übrigens nur aufklären, weil angesichts des schweren Tatvorwurfs von der gesamten Vernehmung eine Videoaufzeichnung angefertigt worden war. Mithilfe des in der Hauptverhandlung anwesenden (anderen) Dolmetschers konnte die unzureichende Übersetzung durch den von der Polizei hinzugezogenen Dolmetscher ohne weiteres nachvollzogen werden. Hätte es – wie noch in den allermeisten Strafverfahren – nur ein schriftliches Protokoll zur Vernehmung gegeben, wäre dies nicht aufzuklären gewesen. Aus Reihen der Verteidiger wird immer wieder die Aufzeichnung von Vernehmungen gefordert. Zumindest zum Teil ist der Gesetzgeber dem gefolgt, so daß der 2020 in Kraft tretende § 136 Abs.4 StPO in bestimmten Fällen die audiovisuelle Aufzeichnung der Vernehmung vorsehen wird.

RA Müller

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Strafverteidigung als Marathonlauf

Januar 25, 2018

Bisweilen gleicht Strafverteidigung einem Marathonlauf. Ein Verfahren, auf das diese Bezeichnung trefflich paßt, hat gerade ein glückliches Ende genommen.

Mein Mandant hatte eine ganze Menge Straftaten begangen, welche nicht als Bagatellstraftaten bezeichnet werden konnten. Besondere Umstände bei der Begehung der Straftaten sowie das Nachtatverhalten, das von Aufklärungshilfe über Reue bis hin zur anteiligen Schadenwiedergutmachung reichte, warfen indes – zumindest aus Sicht der Verteidigung – ein milderes Licht auf die Angelegenheit.

  • Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage zur Großen Strafkammer am Landgericht und brachte damit zum Ausdruck, daß die zu verhängende Freiheitsstrafe über vier Jahren liegen könnte.
  • Hiergegen wandte ich mich im Eröffnungsverfahren und erzielte einen ersten Teilerfolg: Das Landgericht wies die Sache dem Amtsgericht zu. Mit einer höher als vier Jahre liegenden Freiheitsstrafe sei nicht zu rechnen. Die Strafgewalt des Amtsgerichts reiche also aus.
  • Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen diese Enstcheidung an. Das Landgericht solle die Sache verhandeln.
  • Das Oberlandesgericht hielt die Entscheidung des Landgerichts, so daß die Verhandlung vor dem Amtsgericht anstand.
  • Dort machte das Schöffengericht dann in kurzen Prozeß und verhängte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Da Freiheitsstrafen über zwei Jahren nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, hätte mein Mandant die Strafe absitzen müssen. Mein nicht vorbestrafter Mandant hätte seinen Arbeitsplatz verloren. Die Fortsetzung der begonnenen Schadenwiedergutmachung wäre unmöglich geworden. Man mag zutreffend argumentieren, daß er dies selbst verschuldet hatte und Mitleid nicht angebracht ist. Es darf gleichwohl die Frage erlaubt sein, ob dies den Strafzwecken entsprochen hätte.
  • Ich legte für meinen Mandanten Rechtsmittel gegen das Urteil ein, um eigentlich eine Revision durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein, so daß wegen deren größeren Prüfungsumfanges die Berufung durchzuführen war. Dabei berief sich die Staatsanwaltschaft zur Rechtfertigung der Berufung darauf, daß das Urteil des Schöffengerichts viel zu milde ausgefallen sei.
  • Hatte das Schöffengericht noch gemeint, auf die Vernehmung von Zeugen verzichten zu können, so erfolgte vor dem Berufungsgericht eine geradezu ausufernde Beweisaufnahme. Mein Mandant hatte zwar ein weitgehendes Geständnis abgelegt. Gleichwohl wurden an einer zweistelligen Anzahl von Verhandlungstagen ca. 100 Zeugen gehört und zur Bewertung der Höhe des angerichteten Schadens ein Sachverständiger angehört, der fast jedem der Termine beiwohnte. Der Kostenumfang wird enorm gewesen sein. Am Ende stand für meinen Mandanten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.
  • Da ich das Urteil in mehr als einem Punkt nicht für recht nachvollziehbar hielt, legte ich für meinen Mandanten Revision ein. Das zuständige Oberlandesgericht hob den Rechtsfolgenausspruch auf und wies die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurück.
  • Viele Jahre nach der Anklageerhebung hat die Sache nun ein glückliches Ende genommen: Der Mandant ist zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens wurden überwiegend der Staatskasse auferlegt.

Auch wenn ich sicherlich aufgrund meiner Position als Verteidiger kein objektiver Beobachter des Verfahrens bin, so halte ich doch die Entscheidung des Gerichts, die sich das Gericht allem Anschein nach nicht leicht gemacht hat, für sorgsam abgewogen, nachvollziehbar und der Sache angemessen.

Bisweilen bedarf es eines langen Atems, um zu einem solchen Ergebnis zu gelangen. Dabei muß auch der Angeklagte einem solchen Marathonlauf gewachsen sein. Die Belastung, die das Verfahren und die unsicheren Zukunftsaussichten für meinen Mandanten darstellten, waren meinem Mandanten im Laufe der Jahre immer deutlicher anzumerken. In diesem Verfahren konnte man dann am Ende allerdings auch den sprichwörtlichen Stein hören, der ihm bei der Urteilsverkündung vom Herzen fiel.

RA Müller

 

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Der Angeklagte ist verdächtig … ja warum eigentlich?

November 23, 2017

Es kommt gelegentlich vor, daß sich ein Angeklagter fragt, wie es passieren konnte, daß er auf der Anklagebank gelandet ist. Ebenfalls nicht selten kommt es vor, daß ein Strafverteidiger ein gewisses Maß an Empörung darüber zum Ausdruck bringt, daß gegen seinen Mandanten angesichts der eher schwachen Beweislage überhaupt Anklage erhoben worden ist. Ich war nun allerdings zum ersten Mal an einem Strafverfahren beteiligt, in dem keiner der Verfahrensbeteiligten zu sagen vermochte, worauf sich der Tatverdacht gegen einen der vier Angeklagten stützte.

Angezeigt worden war eine schwere räuberische Erpressung, wobei die Tat unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges begangen worden sein sollte. Zur Einordnung: Bei einer solchen Straftat sieht das Gesetz eine Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren vor. Da kann bei einem Angeklagten schon eine gewisses Maß an Sorge auftreten, wenn er sich mit einem solchen Tatvorwurf konfrontiert sieht.

Der Anzeigeerstatter und eine Zeugin hatten von vier Tätern berichtet, zu einem dieser Täter indes nicht viel mehr als dessen Staatsangehörigkeit angeben können. Den Täter habe man vor dem Tattag noch nie gesehen. Wie die Zeugen überhaupt auf die Staatsangehörigkeit schließen konnten, ergibt sich aus der Ermittlungsakte nicht. Dies hat die Polizei die Zeugen nicht gefragt. Angaben der Zeugen, anhand derer man den vierten Täter hätte identifizieren können, gab es nicht. In der Akte folgten dann Angaben zu einer Telefonüberwachung. Den derart abgehörten Gesprächen ließ sich indes ebenfalls nur der Hinweis auf die Staatsangehörigkeit des vierten Täters entnehmen.

Auf der Anklagebank saß nun ein Angeklagter mit eben dieser Staatsangehörigkeit.

Die Verknüpfung zwischen der dürftigen Aktenlage und der Person auf der Anklagebank wurde durch einen polizeilichen Ermittlungsbericht hergestellt: Darin wurde der Name des späteren Angeklagten genannt. Mit keiner Silbe wurde erwähnt, wie man auf den Gedanken gekommen war, daß es sich bei dieser Person um einen der Täter handelte. Gerüchten zufolge gibt es noch mehr Personen mit dieser Staatsangehörigkeit. Es soll ein ganzes Land davon geben.

Da die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte, müßte man dort angenommen haben, es bestünde die „überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung“ auch dieses Angeklagten. Woraus der Tatverdacht sich ergeben sollte, erläuterte die Anklageschrift nicht.

Das Gericht hatte die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, damit also seinerseits die „überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung“ bejaht.

In der Hauptverhandlung wurde nun jener Sachbearbeiter der Polizei angehört, welcher den Vermerk seinerzeit verfaßt hatte. Er bekundete, daß er von einem Kollegen die Anweisung erhalten habe, den Täter, von dem die Zeugen die (angebliche) Staatsangehörigkeit benannt hatten, mit dem sodann eingetragenen Namen zu bezeichnen. Wie der Kollege seinerzeit darauf gekommen sei, sei ihm allerdings nicht bekannt. Er kenne keine Aktenbestandteile, die zu diesem Schluß führten. Auch seine ebenfalls in der Hauptverhandlung vernommene Kollegin konnte hierzu keine Erkenntnisse beisteuern. Selbst der Vertreterin der Staatsanwaltschaft war nicht bekannt, woraus sich der konkrete Tatverdacht gegen diesen Angeklagten ergeben sollte.

Im Ergebnis sind neben diesem Angeklagten auch die drei anderen Angeklagten freigesprochen worden. Mag man trotz einer ausgesprochen dürftigen Aktenlage gerade noch verstehen, daß gegen die anderen drei Personen Anklage erhoben worden ist. Im Hinblick auf den vierten Angeklagten ist dies indes schlichtweg nicht nachvollziehbar.

Entschuldigt hat sich bei dem Angeklagten niemand.

RA Müller

 

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Die Revisions-Hauptverhandlung

November 6, 2017

Neulich stand in einem strafrechtlichen Revisionsverfahren eine Hauptverhandlung vor dem zuständigen OLG an. Es sollte über das von mir eingelegte Rechtsmittel verhandelt werden. Da über das Gros der Revisionen ohne Hauptverhandlung entschieden wird, sah ich dem Termin durchaus mit Spannung entgegen. Ich war allerdings guter Dinge: Zum einen hielt ich das Urteil in mehreren Punkten für nur schwer erträglich. Zum anderen hatte sogar die Generalstaatsanwaltschaft meiner Revision in wesentlichen Punkten beigepflichtet und ausgeführt, daß das angefochtene Urteil aufzuheben sein werde.

In der Verhandlung vor dem OLG erfolgte dann die Kehrtwende: Die anwesende Staatsanwältin führte aus, daß sie der Auffassung der vorherigen Sachbearbeiterin nicht zustimmen könne. Aus ihrer Sicht sei das angefochtene Urteil zwar in Teilen zu beanstanden, es weise indes keine Rechtsfehler auf, die zu einer Aufhebung des Urteils Anlaß gäben.

Dem schloß sich wiederum der Vorsitzende des Senats an und führte aus, daß nach bisheriger Wertung des Senats die Revision zurückzuweisen sei.

Es folgte ein juristisch durchaus spannender Austausch von Argumenten. Schließlich zog sich der Senat zur Beratung zurück.

Nach der – laut Angaben der Staatsanwältin ungewöhnlich langen – Beratung verkündete das Gericht sodann die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils. Der Vorsitzende wies darauf hin, daß diese Sache zeige, wie sinnvoll Hauptverhandlungen auch in Revisionssachen sein könnten. Hätte man schriftlich über die Sache entschieden, ohne daß also der Diskurs in der Hauptverhandlung stattgefunden hätte, wäre das Ergebnis wohl anders ausgefallen.

RA Müller

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Die muskelbepackte Staatanwaltschaft

November 2, 2017
Vorsicht. Dieser Beitrag kann Spuren von Erdnüssen Ironie enthalten. Bei etwaiger Unverträglichkeit wird vom Konsum abgeraten.

Wer Staatsanwalt werden will, der muß sich zuvor einer besonderen Operation unterziehen: Es wird dem zukünftigen Kavalleristen der Justiz ein weiterer Muskel eingesetzt (in Fachkreisen musculus reiectionis genannt), der reflexhaft ablehnend auf jegliche Beweisanträge von Strafverteidigern reagiert.

Zu dieser Schlußfolgerung könnte man als Verteidiger jedenfalls das eine oder andere Mal gelangen, wenn man sich den Umgang von Staatsanwälten mit Beweisanträgen der Verteidigung besieht. In einem aktuell geführten Strafverfahren liegt im Wesentlichen eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vor. Das Kerngeschehen hat sich also zwischen dem Angeklagten und dem einzigen Belastungszeugen zugetragen.

Der BGH hat zu den hohen Anforderungen bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen im Beschluß v.om02.09.2015 – 2 StR 101/15 – etwa wie folgt ausgeführt:

„Die Urteilsgründe müssen in Fallkonstellationen der genannten Art erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (…). Insbesondere die Aussage des Zeugen selbst ist einer sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen (…). Macht der einzige Belastungszeuge in der Hauptverhandlung in einem wesentlichen Punkt von früheren Tatschilderungen abweichende Angaben, so muss sich der Tatrichter mit diesem Umstand auseinandersetzen und regelmäßig darlegen, dass und aus welchem Grund insoweit keine bewusst falschen Angaben vorgelegen haben (…).“ 

Auch kleinere, für sich genommen jeweils noch irgendwie zu erklärende Widersprüche in der Aussage des belastenden Zeugen, können in der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung dazu führen, daß eine Verurteilung auf diese Aussage nicht gestützt werden kann. So hat der BGH im Beschluß vom 19.10.2000 – 1 StR 439/00 – wie folgt befunden:

„Hinzu kommt, dass das Landgericht die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Indizien jeweils eher isoliert in den Blick genommen hat. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers sowie der Glaubhaftigkeit seiner Angaben darf sich der Tatrichter indes nicht darauf beschränken, Umstände, die gegen die Zuverlässigkeit der Aussage sprechen können, gesondert und einzeln zu erörtern sowie getrennt voneinander zu prüfen, um festzustellen, dass sie jeweils nicht geeignet seien, die Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn nämlich jedes einzelne Glaubwürdigkeit oder Glaubhaftigkeit möglicherweise in Frage stellende Indiz noch keine Bedenken gegen die den Angeklagten belastende Aussage auf-kommen ließe, so kann doch eine Häufung von – jeweils für sich erklärbaren – Fragwürdigkeiten bei einer Gesamtschau zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit eines Tatvorwurfs führen (…)“

In dem vorliegenden Strafverfahren hatte ich zahlreiche Beweisanträge gestellt, wobei die beantragte Beweiserhebung zum einen aufzeigen sollte, daß der Belastungszeuge ein handfestes, über Jahre hinweg immer wieder zum Ausdruck gebrachtes Interesse an der Verurteilung des Angeklagten hat, da er sich hieraus persönliche Vorteile verspricht, über die bereits erbittert gestritten worden ist. Zum anderen sollte die beantragte Beweisaufnahme erweisen, daß der Belastungszeuge im Rahmen seiner bisherigen Aussage in mehrfacher Hinsicht die Unwahrheit geäußert hatte. Diese Unwahrheiten betrafen zwar nicht unmittelbar das Tatgeschehen – sonst läge schließlich keine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vor -, wohl aber Randtatsachen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang zu dem Tatgeschehen standen.

In ihrer Stellungnahme zu den Beweisanträgen beantragte die Staatsanwaltschaft gleichwohl, jeden einzelnen der Beweisanträge abzulehnen. Auf die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation ging die Staatsanwaltschaft nicht mit einem einzigen Wort ein. Mal solle der Belastungszeuge noch einmal angehört werden. Vielleicht habe er seine Aussage ja anders gemeint als er sie formuliert habe. Mal könne es zwar sein, daß er die Unwahrheit gesagt habe. Dies bedeute aber ja nicht zwingend, daß der Angeklagte unschuldig sei, so daß dem dann auch nicht weiter nachzugehen sei.

Bisweilen erweckt die Staatsanwaltschaft durch ein solches Verhalten den Eindruck, als gehörten Scheuklappen zur dienstlichen Pflicht, um ja nicht von dem durch die Anklage vorgegebenen Weg abweichen zu müssen. Das paßt dann zumindest wieder zur Bezeichnung als Kavallerie der Justiz. Wer jetzt meint, daß die Staatsanwaltschaft vorliegend die zügige Erledigung des Verfahrens herbeiführen wollte und dies angesichts der Überlastung der Gerichte doch ein verständliches Anliegen sei, der mag sich zwei Gesichtspunkte vor Augen halten: Einen zu Unrecht Verurteilten wird es sicherlich ungemein erleichtern, daß er zwar unschuldig im Gefängnis sitzt, die Verhandlung dafür aber schön schnell abgelaufen ist. Zudem werden die Beweisanträge vorliegend gar nicht zu einer Verzögerung führen, da das Gericht ohnehin noch auf ein von Amts wegen in Auftrag gegebenes Gutachten wartet. In der Wartezeit, die noch einige Wochen dauern dürfte, wird sich die beantragte Beweiserhebung ohne weiteres durchführen lassen.

Das Gericht hat den Anträgen übrigens – in meinen Augen zutreffend – in vollem Umfange stattgegeben und wird nun die beantragte Beweisaufnahme durchführen.

RA Müller

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Keine Glaskugel zur Hand

Oktober 13, 2017

Neulich hatte ich bereits über die Untauglichkeit des Einsatzes von Glaskugeln in Ermittlungsverfahren berichtet (siehe hier). Auf der anderen Seite könnte eine solche Glaskugel sicherlich total praktisch sind. Bis der Werkzeugkoffer der Ermittlungsbehörden auch solche Werkzeuge umfaßt, wird es indes bei polizeilichen Aktenvermerken wie dem folgenden bleiben müssen:

„Die Beschuldigte ist in der Vergangenheit bislang noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Ob sie erneut durch Straftaten auffallen wird, kann nicht gesagt werden.“

Es hätte mich gewundert, wenn der Polizei Erkenntnisse zu etwaigen zukünftigen Straftaten meiner Mandantin vorgelegen hätten.

RA Müller

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Ein ungewöhnlicher Verfahrensablauf und der Wert von Strafverteidigung

Februar 9, 2017

Herr X wurde angeklagt, gemeinsam mit Frau Y eine Straftat begangen zu haben. Herr X gab zwar zu, daß er sich einige Zeit vor der Tat am späteren Tatort aufgehalten hatte, sich allerdings bereits zu einem Zeitpunkt entfernt hatte, als die Tatbegehung noch gar nicht im Raum gestanden hatte. Frau Y bestätigte dies und gab an, eine dritte Person habe ihr bei der Tatausführung geholfen. Deren Namen wollte sie indes partout nicht preisgeben.

Es wurde nun zunächst Frau Y angeklagt und verurteilt.

Anschließend wurde Herr X angeklagt. Frau Y, deren Verurteilung rechtskräftig geworden war, wurde als Zeugin herangezogen. Herr X blieb dabei, daß er die Tat nicht begangen hatte. Auch Frau Y blieb als Zeugin dabei, daß ihr eine andere Person geholfen hatte. Das Gericht schenkte beiden keinen Glauben und war fest davon überzeugt, daß der vorbestrafte Herr X die Tat gemeinsam mit ihr begangen hatte. Entsprechend wurde Herr X zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt.

Über seinen Verteidiger legte er Berufung gegen das Urteil ein. In der Berufungsverhandlung überlegte Herr X fieberhaft, wer denn wohl der Helfer von Frau Y gewesen sein könnte. Diese Person würde ihn schließlich entlasten können. „War es etwa der Z?“ fuhr er Frau Y an. Frau Y bestätigte, daß die Vermutung zutreffend war.

Zum nächsten Termin wurde nun der Z geladen. Herr X machte sich Sorgen, daß der Z nicht erscheinen oder die Aussage verweigern würde und rief ihn vorher noch an. Er teilte ihm mit, daß er ihn unbedingt als Zeugen benötigen würde. Er würde ihn auch gelegentlich zum Grillen einladen.

Nach diesem Telefonat meldete sich Frau Y bei Herrn X und berichtete kleinlaut, daß der Z gar nicht der gesuchte Mittäter sei. Eigentlich habe ihr damals ein guter Freund (F) geholfen. Sofort informierte Herr X seinen Verteidiger, der dann auch einen Beweisantrag vorbereitete, um F als Zeugen laden zu lassen. Den Beweisantrag wies das Gericht zurück. Es mangele dem Beweisantrag an der erforderlichen Konnexität. Zunächst sei der Z benannt worden. Dieser sei es nicht gewesen. Nun solle es plötzlich der F gewesen sein, ohne daß dargelegt worden sein, wie Herr X auf den F gekommen sei.

Es wäre nun Sache des damaligen Verteidigers gewesen, den Beweisantrag nachzubessern und dem Gericht ausführlich darzustellen, wie und wann die Frau Y endlich mit der Sprache rausgerückt war. Dies erfolgte leider nicht, so daß die Berufung des Herrn X zurückgewiesen wurde.

Die verhängte Freiheitsstrafe hatte zur Folge, daß eine laufende Bewährung widerrufen wurde, so daß Herr X längere Zeit im Gefängnis verbringen durfte.

Als er – mit deutlich erschüttertem Vertrauen in den Rechtsstaat – schließlich entlassen wurde, wartete schon das nächste Strafverfahren auf ihn. Die Staatsanwaltschaft hatte beschlossen, ihn wegen versuchter Anstiftung zur Falschaussage (§ 159 StGB) sowie wegen Verleitung zur Falschaussage (§ 160 StGB) anzuklagen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war das nur konsequent. Wenn Herr X – wie rechtskräftig festgestellt – die Tat selbst begangen hatte, so war es mehr als bedenklich, den Z zur Zeugenaussage in der Hauptverhandlung zu bewegen und zuvor Frau Y den Namen dieses Zeugen („War es etwa der Z?„) vorzugeben.

Mit dem vorherigen Verteidiger nach der niederschmetternden Niederlage auf Kriegsfuß stehend beauftragte mich Herr X kurzfristig mit seiner Verteidigung in dem neuen Strafverfahren. Eigentlich wollte das Gericht „kurzen Prozeß“ machen. Jedenfalls war nur ein einziger Zeuge zu der Hauptverhandlung geladen worden. Insbesondere hatte man kein Interesse daran, die Umstände der bereits rechtskräftig festgestellten Vortat erneut zu überprüfen. Ich beantragte gleichwohl die Vernehmung verschiedener weiterer Zeugen und überzeugte das Gericht, sich diesem Komplex noch einmal zu nähern. So vertagten wir uns schließlich. In dem dann anberaumten Folgetermin ist nun zur Überzeugung des Gerichts festgestellt worden, daß Herr X die Tat – wie er von Beginn an behauptet hatte – tatsächlich nicht begangen hatte. Es erging ein Freispruch.

Ich hoffe, daß Herr X ein wenig Vertrauen in den Rechtsstaat (und in den Wert einer professionellen Strafverteidigung) zurückgewonnen hat.

RA Müller