h1

Verfahren geplatzt

Juli 27, 2019

Manchmal soll es einfach nicht sein. Gegen den Mandanten läuft vor dem Landgericht ein Strafverfahren. Darin sind mehrere Zeugen aus der Türkei anzuhören. Der vorsitzende Richter sah zudem seinem bevorstehenden Ruhestand entgegen, so daß das zur Verfügung stehende Zeitfenster eine feste Begrenzung hatte.

Nach zwei Monaten und fünf Verhandlungstagen war festzustellen, daß die Zeugen, die bereit waren, zur Verhandlung anzureisen, die bürokratischen Hindernisse bei Einreise aus einem Nicht-EU-Land nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit überwinden konnten.

  • Es begann bereits damit, daß die Zeugen nicht über Reisepässe verfügten und diese zunächst beantragen mußten. Diese Hürde ließ sich noch erstaunlich schnell nehmen.
  • Sodann bedurfte es eines Termins bei der entsprechenden Botschaft zur Beantragung eines Visums. Ein zwischenzeitlicher Versuch des vorsitzenden Richters, die Angelegenheit durch Kontaktaufnahme mit dem Auswärtigen Amt zu beschleunigen, führte zu der Erkenntnis, daß die dortige Antwortgeschwindigkeit sich mit der aus dem Strafverfahren heraus gebotenen Eile nicht in einen harmonischen Einklang bringen ließ.
  • In der Botschaft wurde den einreisewilligen Zeugen schließlich mitgeteilt, daß sie vor der Erteilung des Visums zunächst eine inländische Verpflichtungserklärung beizubringen hatten. Der „Einladende“ aus Deutschland sollte sich also gegenüber der örtlichen Ausländerbehörde verpflichten, für die aufgrund des Aufenthalts der Einreisenden in Deutschland entstehenden Kosten einschließlich etwaiger Krankenbehandlungs- und Rückführungskosten aufzukommen.
  • Nun endlich reagierte das Auswärtige Amt auf die Anfrage des Gerichts. Aus der dortigen Mitteilung ergab sich, daß eine solche Verpflichtungserklärung vorliegend nicht benötigt wurde. Das liegt auch irgendwie auf der Hand, handelt es sich bei dem „Einladenden“ doch um das Gericht selbst. Diese Mitteilung sollten die Einreisewilligen in der Botschaft vorlegen, wobei ihnen das Dokument zuvor übersetzt werden sollte. Die Zeit drängte. Der nächste Verhandlungstermin stand kurz bevor.
  • Nun hakte es etwas bei dem gerichtlich bestellten Dolmetscher, der für die Übersetzung des übersichtlichen Schriftstückes eine Woche benötigte.
  • Direkt danach wurde die Übersetzung den Zeugen per WhatsApp übersandt und diese legten es sogleich bei der Botschaft vor … nur um dann nach Leistung der für das Visum anfallenden Gebühren die Nachricht zu erhalten, daß sich ihr Antrag nun in Bearbeitung befinde und sie Nachricht erhalten würden, sobald das Visum abgeholt werden könne. Diese Nachricht stand noch aus.

An dieser Stelle brach der vorsitzende Richter die Sache nach fünf Hauptverhandlungstagen ab. Trotz allseitigem Bemühen war an diesem Punkt zu erkennen, daß die bis zu seinem Ruhestand verbleibende Zeit nicht mehr ausreichen würde, um das Verfahren zu einem Ende zu bringen.

Also (irgendwann) auf in die nächste Runde.

RA Müller

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..