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Der lügt doch!

Dezember 1, 2011

Selten findet man in zivilrechtlichen Urteilen die Wertung, daß ein Zeuge gelogen habe. Umso erfreulicher ist es dann, wenn ein Gericht deutliche Worte findet, nachdem man selbst in der Verhandlung die Zeugenaussage als geradezu dreist empfunden hatte.

In einem solchen Fall hat das Gericht nun in das Urteil geschrieben:

„Das Gericht schenkt dem Zeugen keinerlei Glauben. Das gesamte Aussageverhalten des Zeugen war zunächst darauf angelegt, sich hinsichtlich der Vertragsbedingungen und der Umstände des Vertragsschlusses zwischen ihm und dem Kläger nicht festzulegen. Der Zeuge betonte zunächst immer, daß er keine genaue Erinnerung habe. Erst auf Vorhalt des Gerichts bestätigte er, daß es dann wohl genau so gewesen sein müsse, wie das Gericht ihm soeben vorgehalten habe.“

Es folgt eine auszugsweise Darstellung der zahlreichen Ungereimtheiten der Aussage, die der Zeuge abgeliefert hat. Ruft man sich die Beweisaufnahme in Erinnerung, so muß man direkt froh sein, daß es sich bei dem Zeugen nicht um Pinocchio handelte. Dieser hätte dann vermutlich Schwierigkeiten gehabt, das Gericht angesichts des einen oder anderen engen Winkels wieder zu verlassen.

Bleibt zu hoffen, daß das Gericht dafür Sorge trägt, daß sich die Farbe des Aktendeckels in ein schmuckes Rot verändert 😉

RA Müller

12 Kommentare

  1. „Dieser hätte dann vermutlich Schwierigkeiten gehabt, das Gericht angesichts des einen oder anderen engen Winkels wieder zu verlassen.“

    Klasse 🙂


  2. Nach meiner Erfahrung wird vor Gericht so sehr gelogen, daß sowas eigentlich in allen Urteilen irgendwie stehen müsste.

    Originalzitate aus von mir erstrittenen Urteilen:

    „Der Zeuge hat sich erkennbar bemüht der Beklagten vorteilhafte Angaben zu machen.“

    Auch schön:

    „Der Beklagte hat wiederholt unrichtig vorgetragen. Erst nach Vorhalt der im Laufe des Verfahrens bekannt gewordenen Urkunden hat er den tatsächlichen Sachverhalt eingeräumt.“

    Und? Einen roten Deckel gab es dann doch nicht, obwohl es bei zweiterer Sache sogar um einen deutlich 6-stelligen Betrag ging. Vielmehr gingen die Beklagten noch in die nächste Runde, gleich so, als ob dort der Sachverhalt erneut aufgenommen würde und man besser lügen könne. Hat zum Glück nicht funktioniert.


  3. Mein Ausbilder im Referendariat hat in solchen Fällen großen Wert auf die Formulierung gelegt, der Zeuge habe bewusst wahrheitswidrig bekundet und sodann die Akte höchstpersönlich über die Seufzerbrücke in die StA getragen.


  4. Ähm, wo bitte ist denn die Divergenz zwischen

    „Ich weiß es nicht“

    und

    „Wenn Sie das sagen / mir vorhalten, dann wird das wohl so gewesen sein.“

    Mit dem Letzteren räumt der Zeuge lediglich ein, den ihm vorgehaltenen Sachverhalt für nicht abwegig zu befinden. Dass er sich aus eigener Erinnerung an dieses Geschehen erinnern könne, sagt er eben nicht.

    Extrem schlechtes Beispiel für eine Lüge vor Gericht.


    • Alles eine Frage der Formulierung: Wenn der Zeuge auf den Vorhalt äußert, daß es „wohl“ so gewesen ist, so wird mancher hieraus den Schluß ziehen, daß die Erinnerung durch den Vorhalt zurückgekommen ist.
      Dabei werden von manchen Zeugen solche Aussagen förmlich erwartet. Kürzlich sagte ein Polizeibeamter trotz des Vorhaltes seiner schriftlichen Notizen aus, daß er sich an den Vorfall (simpler Verkehrsverstoß) nicht mehr erinnern könne. Das Gericht wirkte „not amused“.


      • Aber das ist nun eine Interpretation des Hörers, die nicht in der Antwort angelegt gewesen ist. Schöner ist es natürlich, wenn der Zeuge sagt – habe ich auch schon erlebt -: „Wenn sie das so sagen, klingt das richtig. Erinnern kann ich mich dennoch nicht.“

        Lügen vor Gericht ist sicherlich so alt, dass sie fast als Gewohnheitsrecht anerkannt werden müssten. Ich wollte nur sagen, dass dieses eine Beispiel mE ungeeignet ist.


  5. Ich bitte darum, bei dem letzten Kommentar den Namen durch Malte S. zu ersetzen. Offenbar habe ich aus Versehen das Email- und das Namensfeld verwechselt.


  6. Warum sollte sich das Gericht darum kümmern, dass die Akte einen roten Deckel bekommt, wenn Sie es nicht tun?

    (Frage geht an Blogautor ebenso wie an Kommentator „Scharnold Warzenegger)


    • Weil ich auf Mandatserteilung hin tätig werde. Als Richter würde ich – so vermute ich – zudem noch verärgerter reagieren, wenn ich überzeugt bin, von einem Zeugen angelogen zu werden.


  7. Oh, ich habe mich gekümmert… Aber mehr als ein (akzeptierter) Strafbefehl kam dabei leider nie heraus. Lügen vor Gericht ist somit nicht nur gang und gäbe, sondern wird auch weitgehend straffrei toleriert.



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