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Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

April 19, 2010

Mein Mandant hatte seine Tochter vom Kindergarten abgeholt. Eine der beiden Kindergärtnerinnen ruft die Polizei. Mein Mandant sei betrunken Auto gefahren.

Die Polizei fährt sofort zu meinem Mandanten, der der Polizei mitteilt, daß er zwar alkoholisiert sei, seine Tochter aber zu Fuß abgeholt habe. Sein Pkw stehe auf der Auffahrt und sei seit einiger Zeit defekt. Die Polizei könne sich gerne in das Fahrzeug setzen und versuchen, damit die Auffahrt zu verlassen.

Die Beamten weigern sich, das Fahrzeug zu starten, und nehmen stattdessen meinen Mandanten mit, um eine Blutprobe entnehmen zu lassen. Auch stellen sie den Führerschein des Mandanten sicher.

Sodann wird die Kindergärtnerin als Zeugin befragt. Sie schildert, daß gar nicht sie selbst, sondern ihre Kollegin unseren Mandanten fahren gesehen habe.

Ihre Kollegin teilt der Polizei auf Nachfrage mit, daß nicht sie selbst, sondern die Mutter eines der betreuten Kinder ihn gesehen habe.

Die Mutter – Sie ahnen es – hat meinen Mandanten auch nicht am Steuer des Fahrzeuges gesehen. Sie habe allerdings den Alkoholgeruch wahrgenommen, als unser Mandant sie passiert habe, und sein Kfz auf dem Parkplatz des Kindergartens gesehen. Der Mandant fährt dabei ein weißes, unauffälliges Fahrzeug eines deutschen Herstellers. Nach besonderen Merkmalen oder dem Kennzeichen wird die Zeugin gar nicht erst befragt.

Ausgehend von diesem Sachverhalt entzieht das Amtsgericht meinem Mandanten vorläufig die Fahrerlaubnis. Trotz der vagen Verdachtslage sah das Gericht es als wahrscheinlich an, daß mein Mandant eine Trunkenheitsfahrt begangen hatte.

Ich benenne nach Rücksprache mit meinem Mandanten zunächst verschiedene Zeugen, damit diese zeitnah durch die Polizei befragt werden können. Zwei entfernte Bekannte meines Mandanten waren nnämlich zu Besuch gewesen, als er seine Tochter abholen wollte, und hatten sich angesichts des sonnigen Wetters entschieden, mit ihm dorthin zu laufen. Auch konnte der Zeuge benannt werden, welcher das Kfz des Mandanten einige Tage nach dem Vorfall repariert hatte, um es wieder fahrfähig zu machen. Letztlich hatten auch die Ehefrau meines Mandanten und deren Schwester meinen Mandanten und seine drei Begleiter loslaufen sehen.

Gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis legte ich zudem Beschwerde ein.

Was passierte dann? Bis zur Entscheidung über die Beschwerde passierte nichts. Die Zeugen wurden nicht befragt und das Landgericht ignorierte alle Zweifel an der Täterschaft meines Mandanten und bestätigt den Beschluß des Amtsgerichts. Es sei wahrscheinlich, daß meinem Mandanten am Ende der Hauptverhandlung die Fahrerlaubnis entzogen werde.

Erst Monate später kam es dann zur Hauptverhandlung. Nach Vernehmung der Zeugen ist mein Mandant freigesprochen worden. Alle von meinem Mandanten benannten Zeugen hatten bestätigt, daß er seine Tochter zu Fuß abgeholt hatte. Die Frau, die sein Fahrzeug auf dem Parkplatz gesehen haben wollte, konnte nicht ein einziges Merkmal des Fahrzeuges benennen, an welchem sie es erkannt haben wollte.

Trotz des Freispruchs bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Zu schnell ist bei völlig unklarem Sachverhalt zu der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gegriffen worden. Für meinen Mandanten war dies ein schwerwiegender Eingriff, gegen den die Beschwerde lediglich ein stumpfes Schwert darstellte, wenn so leichtfertig angenommen wird, daß der Betroffene im Rahmen einer späteren Hauptverhandlung verurteilt werden wird.

Dabei ist es kein Trost für den Mandanten, daß das Gericht auf Antrag festgestellt hat, daß er für den Zeitraum der Entziehung der Fahrerlaubnis zu entschädigen ist. Der Staat hat sich hier weitestgehend vor Entschädigungsansprüchen bewahrt. Während nach einem Verkehrsunfall für jeden Tag des Fahrzeugausfalls grundsätzlich Nutzungsausfall geltend gemacht werden kann, ist der Staat zur Leistung einer Entschädigung nur verpflichtet, soweit ein tatsächlicher Schaden entstanden ist. Ein solcher Schaden wird sich nur selten nachweisen lassen…

RA Müller

8 Kommentare

  1. … wobei man sich schon fragt, was das für einer ist, der sein Kind betrunken vom Kindergarten abholt (und die Mutter des Kindes, die das zulässt, obwohl sie ihn hat losgehen sehen und also a) wohl Zeit gehabt hatte und das Kind auch selber hätte holen können und b) wohl auch gewusst hat dass er betrunken war).

    Vielleicht sollte der Mandant froh sein dass ihm nur der Führerschein abgenommen wurde und nicht statt der Polizei das Jugendamt auf der Matte stand.


  2. In diesem Land darf man wider alle anders lautenden Gerüchte durchaus kräftig einen heben, ohne das direkt Jugendamt, Polizei oder Bundeswehr anrücken.
    Das gehört ebenso zu den Freiheitsrechten, wie es jedem frei steht, seine anders lautende Meinung zu äußern, mag diese auch von wenig Sachverstand getragen sein.
    Was nicht angeht sind diese ewigen Bestätigungen der Gerichte untereinander, weil es ja so bequem ist. Unkommod wäre es gewesen zu sagen:
    Ja, die Entziehung der Fahrerlaubnis war willkürlich oder ist es spätestens ab der Nichtvornahme zumutbarer Ermittlungsmaßnahmen geworden.
    Ich bin derartige gerichtliche Praktiken ebenso satt, wie Leute die kritisieren und spätestens jammern, wenn Ihnen ähnliches widerfährt.


    • Neben dem von Ihnen erwähnten heiligen Recht, sich am hellichten Tage zu betrinken, gibt es auch noch andere Rechte.
      Z. B. das Recht eines Kindes, einen Vater zu haben, der seinen Erziehungspflichten nachkommt. Und da könnte man bei jemandem, der am Nachmittag derart betrunken ist, daß es den Kindergärtnerinnen und anderen Eltern auffällt, schon zweifeln, ob er dazu in der Lage ist.
      Eine diesbezügliche Prüfung des Jugendamtes schiene mir daher ebenfalls nicht unangemessen.
      Um ein Kind zu erziehen muß man mehr tun als einfach nur nicht straffällig werden.


      • Mir ist nicht bekannt, ob eine Alkoholproblematik vorliegt oder ob die Kindergärtnerinnen etwas überbesorgt waren. Was auch immer der Fall war: Es dürfte doch Einigkeit dahingehend zu erzielen sein, daß die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht in Ordnung war 🙂


      • Antwort an Hr. Müller:
        Daß er „alkoholisiert war“ hat der Mann ja lt. Ihrem Text gegenüber der Polizei zugegeben, und der Pegel ist ja wohl auch in einem Bereich gewesen, wo man -wenn man so fährt, natürlich- den Lappen verliert.
        Von daher fand ich die Amerkung von falbala richtig, und die Antwort von cledrera, die allein auf das „Recht“, sich zu betrinken, abhob, ziemlich daneben.
        Übrigens merken es auch Kleinkinder schon und schämen sich, wenn ihre Eltern eine peinliche Figur abgeben. Auch deshalb ist es nicht ok, betrunken im Kindergarten aufzukreuzen.


      • Damitr wir uns nicht falsch verstehen: Ich fand es auch nicht unbedingt bewundernswert, erkennbar angetrunken zum Kindergarten zu gehen.
        Aber wenn man schon schießt, dann sollte man zu den richtigen „Waffen“ greifen. Und die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis stammte mE aus dem falschen Arsenal.


  3. NEIN! In diesem Land darf man keinen ‚heben‘, wenn’s dem Staat nicht gefällt. Wenn man zum Beispiel dabei von seinem nächsten, mannigfaltig vorbestraften Frustschläger (erwiesen, noch mehr besoffen) zum Krüppel geschlagen wird, hat man selbst Schuld und findet sich im Maßregelvollzu (ohne Vorstrafen) wieder. http://www.helmutkarsten.de


  4. […] Mit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis befasst sich dieser Beitrag. […]



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