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Das Urteil zeugt von Uneinsichtigkeit

Juli 2, 2010

Gestern flatterte mir ein Urteil in einer Strafsache ins Haus, auf dessen Begründung ich ausgesprochen gespannt war. Neben anderen fragwürdigen Inhalten zeichnete sich das Urteil durch folgenden Satz aus:

„Zu Lasten der Angeklagten mußte sich zur Überzeugung des Gerichts deren (…) uneinsichtiges Verhalten im Termin (…) auswirken.“

Was war passiert? Die Angeklagten waren beschuldigt worden, sich ein frisiertes Mofa geliehen zu haben, welches sie aufgrund der erzielbaren Geschwindigkeit mit ihrer Prüferlaubnis nicht hätten im Straßenverkehr führen dürfen. In der Hauptverhandlung hatten beide bestritten, gewußt zu haben, daß das Fahrzeug schneller als 25 km/h fahren konnte. Sie waren beide auch lediglich eine kurze Strecke gefahren. Die Beweislage war ausgesprochen dünn.

Der Verweis auf die „Uneinsichtigkeit“ kann sich lediglich darauf beziehen, daß die Angeklagten die Tat nicht eingeräumt hatten.

Dabei zeugt das Urteil tatsächlich von erheblicher Uneinsichtigkeit, allerdings von einer solchen des Richters.

Man mag sich fragen, wie oft es noch von Revisionsgerichten beanstandet werden muß (siehe z.B. hier den Beitrag des Kollegen Flauaus), daß das Unterbleiben eines Geständnisses und Bestreiten der Tat nicht strafschärfend gewertet werden darf.

Zwar ist es grundsätzlich möglich, „Uneinsichtigkeit“ strafschärfend zu werten, dies jedoch nur, wenn das Verhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung eine „rechtsfeindliche Gesinnung“ zum Ausdruck bringt (z.B. wenn der Angeklagte das Fahren ohne Fahrerlaubnis einräumt und sich darauf beruft, daß der Staat ihm das Führen eines Kfz nicht verbieten könne und das Gesetz das Papier nicht wert sei, auf dem es geschrieben stehe). Keine „Uneinsichtigkeit“ liegt dagegen vor, wenn der Angeklagte lediglich von den ihm gesetzlich zustehenden Verfahrensrechten Gebrauch macht.

Da ist es beruhigend, daß das Rechtsmittel gegen das Urteil längst eingelegt worden ist.

Man fühlt sich bei der Lektüre des Urteils im Übrigen an einen kürzlichen Beitrag des Kollegen Burhoff sowie den dazu erfolgten Kommentar des Kollegen Siebers erinnert. Auch dort hatte das Gericht sich in der Strafzumessung „ausgetobt“, wobei der Kollege Siebers dieses begrüßte, da der Richter damit das geschrieben habe, was er auch gedacht habe. Weiter spekulierte der Kollege, daß viele Strafzumessungen von Gründen getragen sind, die im Urteil bewußt nicht ausgeführt werden, da sie revisibel wären.

Manchmal klingt die Verstimmung des Gerichts bei ausgebliebenem Geständnis an, wenn der Richter etwa formuliert, daß ein Geständnis nicht abgelegt worden sei und daher auch nicht zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden konnte.

Da muß mein Mandant ja fast dankbar sein, daß der Richter sich nicht gescheut hat, seine fragwürdigen Erwägungen 1:1 in das Urteil zu übernehmen.

RA Müller

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