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„Kommen Sie zur Vernehmung, sonst…“

Juni 28, 2012

Nach dem gestrigen Artikel über eine Beschuldigtenvernehmung nun ein weiterer Beitrag, der in dieselbe Kerbe schlägt. Meine Mandantin sollte von der Polizei zu einem Sachverhalt (auch) als Beschuldigte vernommen werden. Im Raum standen erhebliche Tatvorwürfe.

Wie es in Strafsachen hoffentlich jeder Verteidiger beherzigt, habe ich zunächst Akteneinsicht beantragt, um nach Erhalt der Akte mit meiner Mandantin erörtern zu können, ob eine Stellungnahme abgegeben werden soll. Von einer vorherigen Einlassung habe ich meiner Mandantin abgeraten.

Die Polizei war über diese Haltung „not amused“ und drängte darauf, daß die Mandantin dort unverzüglich zur Vernehmung erscheinen sollte. Als in meiner Vertretung mein Kollege dort anrief, hieß es, daß eine spätere Aussage meiner Mandantin doch wertlos sei. Sie könne sich dann ja mit mutmaßlichen Mittätern abgesprochen haben.

Mir gegenüber verwies man in einem weiteren, an demselben Tag geführten Telefonat darauf, daß die Taten ohnehin bereits nachgewiesen seien. Die Beweislage sei recht gut. Meine Mandantin möge zudem bedenken, daß eine spätere Aussage zu Problemen mit dem Jugendamt führen könnte…

Aus welchem Grund sich Probleme mit dem Jugendamt ergeben sollten, wenn meine Mandantin erst später aussagt, blieb mir verborgen.

Je stärker im Übrigen auf eine unverzügliche Aussage gedrängt wird, desto eher regt sich bei mir der Verdacht, daß die Sache bislang alles andere als wasserdicht ist. Wenn derartiges Drängen indes bereits gegenüber dem Verteidiger an den Tag gelegt wird, dann möchte ich nicht wissen, in welcher Weise meine Mandantin hier bedrängt worden wäre, sofern Sie unverteidigt gewesen wäre.

RA Müller

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