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Verbotene Flagge

September 25, 2020

§ 86a StGB betrifft die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Strafbar macht sich danach unter anderem derjenige, der solche Kennzeichen „öffentlich“ verwendet. Die Strafnorm dient dem Schutz des politischen Friedens, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, der Völkerverständigung und des Ansehens Deutschlands im Ausland. Es soll bereits dem Eindruck entgegengewirkt werden, daß verfassungsfeindliche Bestrebungen aufgrund der Präsenz solcher Symbolik auch nur geduldet werden.

Bei meiner Mandantin hatte nun eine Hausdurchsuchung stattgefunden. An der Wohnzimmerwand hatte die Polizei in diesem Zuge eine Flagge mit entsprechenden Symbolen festgestellt. Daraufhin begab sich einer der Polizeibeamten nach draußen, blickte durch das Wohnzimmerfenster in die Wohnung und fertigte einen Vermerk, wonach man durch das Fenster ohne Schwierigkeiten die Flagge an der Wand sehen konnte. Hiervon wurde auch ein Lichtbild gefertigt.

In der Folge wurde gegen meine Mandantin ein gesondertes Strafverfahren wegen des angenommenen Verstoßes gegen § 86a StGB eingeleitet und Anklage erhoben. Mit der Anklageschrift suchte mich die Mandantin auf.

Das tatbestandsmäßige „öffentliche Verwenden“ setzt die Möglichkeit voraus, daß das Kennzeichen von einem größeren, nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann. Nicht erforderlich ist, daß Personen das Kennzeichen auch tatsächlich bereits wahrgenommen haben. Der BGH hat hierzu etwa einen Fall entschieden, in dem ein älterer Mann, der spätere Angeklagte, eine Wohnung gemietet hatte. In dem Haus lebten noch zwei weitere Mietparteien. Im Streit mit seinen Nachbarn und der Vermieterin malte der Angeklagte im Treppenhaus ein Hakenkreuz an die Wand. Angesichts der persönlichen Beziehung des Angeklagten zu den Nachbarn und der Vermieterin lag nach der Entscheidung des BGH gerade keine „öffentliche“ Verwendung im Sinne von § 86a StGB vor.

In dem Fall meiner Mandantin könnte man nun daran denken, daß Passanten bei einem Blick durch das Wohnzimmerfenster die Flagge wahrnehmen konnten.

Die Polizei hatte in der Akte allerdings nicht geschildert, wo das Wohnzimmerfenster lag. Auf dem Weg dorthin hatte der Polizeibeamte nämlich um das Haus herumgehen und hierbei eine geschlossene Pforte öffnen müssen. Sodann hatte die Polizei zwar den Blick durch das Fenster IN die Wohnung dokumentiert, nicht hingegen den Blick AUS dem Wohnzimmerfenster nach draußen. Andernfalls hätte man nämlich erkennen können, daß sich der Blick auf einen kleinen Gartenbereich und dahinter auf eine hohe Hecke richtete. Selbst wenn man der Auffassung sein sollte, daß sich möglicherweise je nach Winkel ein Blick durch die Hecke erhaschen lasen könnte, so würde man feststellen müssen, daß sich hinter der Hecke eine Kuhweide befand.

Um es kurz zu machen: In der Hauptverhandlung ist meine Mandantin freigesprochen worden.

RA Müller

 

 

 

 

Ein Kommentar

  1. Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen



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